Leseprobe aus "LAUT UND DEUTLICH SCHRIEB ICH'S NIEDER":
Einkaufstag
Meine holde Ehegenossin ist Weltmeisterin im Einkaufen. Mit dem Vorsatz, Milch zu kaufen geht sie außer Haus und kehrt nach Stunden mit übervoll beladenem Kofferraum nach Hause zurück.
Wenn ich bei Einkäufen dabei war, legte ich hinter ihr heimlich hin und wieder Teile aus dem Einkaufswagen zurück in die Regale.
„Wenn das so weiter geht, müssen wir uns einen größeren Wagen nebst einem größeren Einkommen zulegen“, erklärte ich ihr bei ihrem letzten Einkauf und machte folgenden Vorschlag: „Ich übernehme das Einkaufen. Du schreibst einen Einkaufszettel und ich bringe das Gewünschte“.
Ich bin da konsequent: kein Herumsuchen in den Regalen, ob noch etwas Brauchbares zu finden sei. Nein! Was auf dem Zettel steht, wird eingekauft und kein Teil weiter.
Premiere: Mein erster Einkaufstag! Ein Blick auf den mitgegebenen Zettel sagte mir sofort, dass ein Einkaufswagen gar nicht notwendig war:
1 Brot
1/4 Butter
10 Eier
Das war’s!
Diesen Einkauf habe ich in Null-komma-nix erledigt! So war mein Denken. Leider standen beim Gebäck viele Kaufwillige und ich musste anstehen. Während der Zeit des Zuwartens ließ ich meinen Blick schweifen.
Da schau her: sogar Werkzeug führen die hier im Lebensmittelmarkt. Ich sah aus einem Behälter mehrere Bohrhämmer herausragen. Sonderangebot! Da gab es ja eine ganze Reihe von Containern in der Mittelreihe! Endlos aneinandergereiht bis nach vorne zur Kasse! Was steht denn da drüben: Schraubensortiment! Das trifft sich gut, erst gestern hatte ich vergeblich nach einer bestimmten Gewindegröße im Keller gesucht.
Ich verließ die Warteschlange vor dem Backwerk. Vielleicht sind etwas später ja weniger Kunden hier. Ich sehe mir inzwischen diese interessante Containerreihe an.
‚Elektrohobel, minus 20 Prozent! Nur für kurze Zeit!‘ stand da. Ich brauchte zwar keinen, aber minus zwanzig Prozent? Da muss man doch zugreifen. Als ich daneben ein Zangenset, natürlich auch ‚stark verbilligt!‘, entdeckte, eilte ich zum Eingang zurück, um einen Einkaufswagen zu holen.
In weiterer Folge gewahrte ich nun wahre Schätze: Ich erstand einen Akkuschrauber mit unglaublicher Leistung zu einem noch unglaublicheren Preis, dazu eine Kappsäge, verwandelbar in eine Tischkreissäge, ein Bohrerset, ein Schraubenset, ein Dübelset, und … und … und …
Als ich später mit meinen drei gefüllten Einkaufswagen zur Kasse drängte, sprach mich jemand an: „Kleine Kostprobe gefällig, der Herr?“
Eine Dame stand an einem kleinen, extra aufgestellten Informationsstand und hielt mir ein auf einem Zahnstocher aufgespießtes Stück Käse entgegen. Ich wollte gerade ein ablehnendes „Nein, danke“ von mir geben, da nahm ich wahr, dass die Hand mit dem Käsestückchen zu einer außergewöhnlich attraktiven, jungen Dame gehörte. Den Bauch einziehend hauchte ich ihr ein „Ja bitte, gern!“ entgegen. Ich war erfreut über die Möglichkeit, während des Genießens der Käse-Kostprobe auch meinen Augen Genuss zukommen zu lassen: eine Augenweide, in Form zweier elendslanger, wunderschöner schlanker Beine. Diese verschwanden irgendwann unter einer extrem kurzgehaltenen Verkaufsschürze, die mich nicht annähernd so interessierte, wie das, was oberhalb der Schürze aus einem freizügigen Dekollete lugte.
Schmerzlich ließ mich ihre Frage: „Na, wie schmeckts?“ erfassen, dass ich das kleine Käsestückchen schon lange geschluckt, wahrscheinlich auch schon verdaut hatte und ich riss meinen Blick los, um schmachtend zu entgegnen: „Ausgezeichnet, bitte geben sie mir ein Kilo!“
Ein letzter Blick auf die Wundergestalt, und ich stand mit meinen vier Einkaufswagen an der Kasse.
Nachdem mir hier nach Rücksprache mit der Bank von der überaus entgegenkommenden Filialleiterin eine Teilzahlungsvariante einge-räumt wurde, belud ich mein Auto und die beiden gerufenen Taxis.
Zu Hause angekommen, veranlasste mich mein schlechtes Gewissen, meine so günstig erstandene technische Anschaffung vorerst heimlich in den Keller zu räumen, um dann freudestrahlend mit dem Käse zu meiner Frau zu eilen: „Hier mein Schatz!“
…? „Käse?“ fragte sie verdutzt, „wo ist das Brot, die Butter, wo sind die Eier?“
„B… B… Brot, Butter, Eier?“, stammelte ich. „Hab ich glatt vergessen!“
© Maximilian Unger
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